Buch: Sebastiao Salgado / Genesis

Genesis ist Salgados 500-seitige fotografische Liebeserklärung an die Schöpfung und zeigt einmalige Fotos von Teilen der Welt, die von der Zivilisation mit ihren negativen, zerstörerischen Auswirkungen nicht berührt oder nachhaltig geschädigt worden sind.
„Eine Hommage an die Größe der Natur“, so Salgado in seinem Vorwort zum Buch.

Nach langjähriger Beschäftigung mit den Themen Armut, Flucht, Vertreibung, Elend und Tod –welche insbesondere auch in seinem Werk Exodus (Link zur Rezension) dargestellt sind- machte Salgado für sich einen thematischen Neuanfang, das Langzeitprojekt Genesis nahm Gestalt an und war nach neunjähriger Arbeit mit 32 Reisen in die Zielgebiete vollbracht und konnte in Form eines Buches und einer Wanderausstellung dem Publikum zugänglich gemacht werden.

Gen 1,4Gott sah, dass das Licht gut war.
Gott schied das Licht von der Finsternis

Die für Salgado typische Darstellung in Schwarzweiß ist im 2013 erschienen Buch des Taschen-Verlages in hoher Qualität umgesetzt. Insbesondere die Lichter erscheinen im Druck mit einer guten Durchzeichnung und sehr fein differenzierten Details. Die Schatten und dunklen Bereiche der Fotos lassen ausreichend Inhalte erkennen, sie laden zum langsameren und intensiveren Entdecken des Bildes ein, da sie nicht so deutlich und unmittelbar ins Auge springen wie die Inhalte der Lichterbereiche in den Bildern. Die aller meisten Fotos selbst sind schön, damit meine ich gestalterisch gut aufgebaut, perfekt belichtet und ausgearbeitet. Für die einen zeigen Salgados Genesis-Fotos nur heile Welt, andere sehen hier mehr… einen unschätzbaren Moment festgehalten, um genau das zumindest fotografisch zu bewahren.

In Verbindung mit dem dokumentarischen Schwarzweiß, das die Wirklichkeit ja in gewisser Weise verändert und ausblendet, ergibt sich für mich der pathetische Stil Salgados, der sich fast durchgängig bei all seinen Bildern wiederfindet. Salgado richtet mit jedem seiner veröffentlichten Bilder einen Appell an den Betrachter … dieser kann ihn verstehen und für sich akzeptieren oder ignorieren und ablehnen. Auf mich wirken seine Bilder, ich betrachte die Bilder recht lange und manchmal setzt ein längeres Nachdenken ein. Fühle ich mich dadurch manipuliert? Nicht im negativen Sinne, aber bei einzelnen Bildern wird durch die Art der Darstellung ein Prozess angeschoben, der bei mir deutlich über das reine Betrachten eines schönen Bildes hinausgeht.
Innerhalb des Genesis-Projektes ist Salgado auf die digitale Fotografie umgestiegen. Auch wenn  sein Postprocessing schon immer sehr gut war, die digitalen Negative erlauben noch deutlich mehr Perfektion im fertigen Bild. Man sollte sich aber nicht täuschen, der Versuch einen Abdruck eindeutig als analog oder digital zu erkennen ist keine wirklich einfache Sache und im Grunde genommen auch nicht wichtig.

Die Bilder sind zumeist ganzseitig oder doppelseitig abgebildet. Leider ist in einigen Fällen die produktionsbedingte Buchfalz störend oder bildbeeinträchtigend. Einige Seiten sind ausklappbar und enthalten kleinformatigere, zusammengehörende Fotos, die durch die Tableaudarstellung ihre Wirkung entfalten. Ausdrucksstarke Porträts von Menschen und Tieren, weite Landschaften, bizarre Strukturen und Formen sowie detailreiche Pflanzen und Lichtstimmungen finden sich den Aufnahmen im Buch.

Im Buch befindet sich ein 35ig-seitiger Einleger mit Informationen zu den einzelnen Fotos.

Das Buch gliedert sich in folgende Bereiche:

  • Im Süden der Erde
  • Zufluchtsorte
  • Afrika
  • Nördliche Welten
  • Amazonien und Patanal

Jedem Bereich vorangestellt ist eine 2-3 seitige Einleitung mit Hintergrundinformationen.

Es verwunderte mich leider wenig hier keine Bilder aus Europa oder den Vereinigten Staaten gefunden zu haben. Die Industrialisierung, der Fortschritt und damit unser Wohlstand und unsere aktuelle Lebensweise lassen nur wenig Raum für derartige Fotos… wenngleich auch in Europa noch kleine Paradiese und geschützte Bereiche existieren, die man suchen, finden und fotografisch darstellen kann. Vielleicht ist das genau die Chance, die sich für jeden einzelnen Leser des Buches auftut. Die gezielte und strukturierte fotografische Darstellung der eigenen Lebenswelt, mit der man sich intensiv beschäftigt, deren Schönheit man erkennt und bewahrt, die Motiv und Ansporn für die eigene fotografische Arbeit sein kann.

Ich hatte glücklicherweise die Möglichkeit die Ausstellung zu Genesis im Berliner C/O zu besuchen. Die großformatigen, qualitativ ausgezeichnet gedruckten Bilder, brachten ein noch deutlich über das Buch hinausgehendes Seherlebnis. Auf den Drucken kamen auch feinste Details und Nuancen heraus, das Auge hatte neben dem Eindruck des Gesamtbildes noch eine Menge zu entdecken. Der Andrang war damals recht hoch, die Räume vielleicht nicht optimal für die Menge der Bilder, aber es hat sich definitiv gelohnt. Ich hoffe diese Ausstellung wird irgendwann mal erneut in erreichbarer Nähe zu sehen sein.

Bei Salgado haben die intensive Fotografie und seine Beschäftigung mit den fotografischen Themen Veränderungen hervorgerufen. Dies schildert er in einer sehr persönlichen und berührenden Weise in Wim Wenders ausgezeichnetem Film „Das Salz der Erde“, den ich hier nachdrücklich empfehlen kann.

Mehr über Salgado, seine Arbeit und seine Sicht auf die Welt finden sich auch in folgenden Interviews mit oder Berichten über Salgados Werk:

https://www.deutschlandfunk.de/friedenspreis-des-deutschen-buchhandels-er-hat-nie-mit.691.de.html?dram:article_id=451639

http://www.philipp-lichterbeck.com/interviews/dahin-wo-es-wehtut-sebastiao-salgado

Sebastiao Salgado / Genesis
Taschen-Verlag

Dieser Beitrag wurde unter Bildbände, Buchrezensionen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert